In diesen bewegten Zeiten höre ich ständig viele Ideen und Äußerungen von Experten, Politikern und sonstigen Beitragenden.
Kürzlich hörte ich folgende Empfehlung (wobei ich nicht mehr weiß, wer es gesagt hat): Die Unternehmen, die doch ohnehin im November oder Dezember Weihnachtsgeld auszahlen würden, sollten doch jetzt schon diese Finanzspritze an ihre Belegschaft auszahlen. Grund: So könnten die Menschen ihre Einkäufe noch vor einem aktuellen Lockdown durchführen und dem lokalen Einzelhandel helfen, bevor die Gelder dann in den Online-Handel fließen, der ja ohnehin ein Gewinner dieser Krise ist.
Mein erster Gedanke war: Na klar, dann gehen jetzt alle schnell einkaufen und verstopfen den lokalen Handel bei der Gefahr, Hygieneregeln zu ignorieren. Die Idee ist so oder so nicht bis zum Ende durchdacht. Und dann höre ich aus dieser Idee, wie „böse“ dieser Online-Handel ist. Solche Diskussionen werden auch in meiner Wohnortnähe geführt. Wobei diese Diskussion dann noch weiter geht, denn es gibt „guten“ lokalen Handel (kleine kuschelige Ladengeschäfte mit 1-3 Kunden in der COVID-19-Zeit) und die Discounter und Ketten, die ja ohnehin immer alles kaputt machen. In welchem Jahrhundert die Personen leben, die das behaupten, weiß ich nicht, aber ich verspüre wenig Lust, in unsere Hauptstraße von Geschäft zu Geschäft zu gehen und dort stundenlang alles zusammenzusuchen, was ich so für das Leben brauche.

Aber machen wir uns nichts vor – es geht doch eigentlich hauptsächlich um Amazon, oder? Viele Handelsketten und viele Geschäfte machen Online-Handel, entweder über eigene Wege oder sie nutzen die Logistik des großen Riesen. Sie haben verstanden, dass dieses sogenannte Shoppen nicht jedermanns Sache ist. Während der ersten Welle war das auch unsere sichere Bank in der Krise, die uns mit dem versorgt hat, was uns fehlte.

Nochmal zurück zum Online-Handel: Was ist das eigentliche Problem?
Ich arbeite in der Gastronomie und weiß, wieviele Restaurants mit der Weile liefern oder zumindest im Außerhaus-Geschäft agieren. Vielen haben damit überlebt und sind damit zum ständigen Begleiter in den Phasen der Pandemie geworden, in denen man nicht zu Ihnen darf oder vielleicht auch nur nicht möchte. Aber auch das örtliche Buchgeschäft und andere lokale Geschäfte haben den Versandhandel für sich entdeckt. Aber das sind vergleichsweise wenige, weil dieser lokalen Handel es immer noch nicht verstanden hat, dass ihre Welt so oder so zu Ende ist. Und das ist unabhängig von COVID-19.
Es steht mir nicht zu, über potentiellen Wegfall von Arbeitsplätzen zu spekulieren, aber Fakt ist, dass die Produkte weiterhin zu den Kunden müssen. Lokal kann man gut liefern und dabei auch beraten, was der Paketdienst nicht kann. Ja, dann muss ich mich als Verkäuferin mobilisieren, aber ganz ohne Entbehrungen geht es sicher nicht. Man muss sich abheben von denen, die rein auf der Webseite die Artikel anpreisen und per Lieferdienst versenden.
Leider gibt es auch viele Geschäfte, die Samstagmittag schließen. Grandios, wenn genau das die Zeit ist, in der die meisten berufstätigen Menschen einkaufen gehen könnten. Aber dafür gibt es dann doch noch neben der Online-Bestellung eine Alternative: der Discounter, der neben Lebensmitteln eben auch vieles hat, was ich zum Beispiel im Papiergeschäft in unserem Ort nachmittags nicht mehr finde. Und für vieles andere sind Drogeriemärkte in unmittelbarer Nähe der Supermärkte.
Das Papiergeschäft oder Büromittelgeschäft musste leider ausziehen, weil das Gebäude abgerissen wird. Trauere ich deshalb? Nein. Ich wollte dort eine unkonventionelle Kugelschreibermine kaufen, weil ich dachte, das sind die Experten. Hatte sie nicht. Ich fand die Mine dann im Supermarkt. Toll! Früher mussten wir immer die Schulhefte unserer Tochter dort kaufen, weil die aus dem Supermarkt nicht die richtigen waren. Wenigstens einmal im Jahr mussten alle dort einkaufen, weil die Grundschule genau dort die Farben der Hefte aussuchte. Das ist nun vorbei. Keine Tränen von mir. Leider ist der Hermes-Shop jetzt auch weg, aber das ist zu verschmerzen.
Ich bin ein Fan der Digitalisierung und werde sicher auch künftig nicht bei der kleinen Boutique in unserem Ort einkaufen, weil ich genau das nicht brauche und auch nicht zahlen will, aber ich bin nicht die Zielgruppe. Aber eine gute Freundin, die gern lokal einkauft, könnte daran gefallen finden. Sogar wenn sie bei denen einkaufen würde, könnte der Laden es liefern. Ein paar Tage später kann man auch mal nachfragen, ob es noch gefällt oder vielleicht etwas fehlt.
Lasst uns aufhören, über den Online-Handel zu lästern. Ich bin dankbar, dass es ihn gibt, und verfluche ihn selten. Hin und wieder findet man mich auch lokal: besonders in Bäckereien, Büchereien.