Teenagerträume! Manche erfüllen sich, manche Träume erfüllen sich nicht. Emilia liegt in ihrem Bett und kämpft mit den Tränen. Es sah doch so gut aus: letztes Jahr konnte sie gleich nach Ihrem letzten Auslandsaufenthalt, hier in Irland einem tollen Angebot nicht widerstehen. Ein Einsatz alles Meeresbiologin ist nun mal genau das, was sie sich vorgestellt hat. Alles ging glatt nach dem Studium. Direkt nach dem Abschluss reiste sie rund um die Welt und verdiente dabei ihr erstes Geld. Den Doktortitel macht sie sicher in den kommenden Jahren. Das ist klar und sicher.. Was will man mehr? Tja, man … oder besser Mann? Nein, sie ist ein Frau, die sehr erfolgreich sein kann.
Das Bücherregal in ihrer Wohnung bricht fast zusammen. Zu jedem der Bücher könnte sie eine Geschichte erzählen, nur die will keiner hören. Ihr Vater, ja, der ist immer für sie da. Auf dem Schreibtisch stehen ihre Lieblingsblumen, welche er morgens frisch in seinem Garten geschnitten hatte. In der Küche steht das Abendessen und duftet durch die ganze Wohnung.
Zeit etwas zu essen.
Emilia schnuppert am Inhalt des Topfes. Mmmh, Eintopf! Den liebt sie schon seit sie denken kann. Aber das ist nicht irgendein Eintopf. Das ist Daddys Eintopf!
Sie läuft Barfuß über die knarrenden Holzdielen und spürt die unebene Oberfläche unter ihren Füßen. Sie liebt dieses Haus. Es ist alt und hat mit Sicherheit schon ein Jahrhundert hinter sich. Es schnuppert in der Diele etwas modrig. In der Wohnküche ist den ganzen Tag über die Sonne in einer der vielen Fenster, durchflutet die staubige Luft über den hunderten Büchern und beleuchtet die Wände mit den vielen Gemälden.
Eine Schüssel Eintopf auf dem Schoß nimmt sie Platz auf dem Sofa und genießt den wohlbekannten Geschmack. Ihre Gedanken sausen wieder zurück in die tränen-vollen Gedanken, die sie gerade verdrängen wollte. Es hieß, eine Meeresbiologin braucht man überall am Meer. So hat Emilia gehofft, dass ihr heutiger Job ein Sprungbrett sein wird. Sie begann mit der Tätigkeit und verfolgte ihr Ziel. Immer wenn sich die Gelegenheit ergab, positionierte sie sich, was sie kann und wo sie hin will. Was Emilia aktuell sehr vermisst, ist die direkte Arbeit auf dem Meer. Sie bekommt täglich Proben von unzähligen Kollegen in ihr Labor, aber das ist nicht das gleiche.
Heute früh hat ihr Chef ein Intercompany-Newsletter zum Freitagsfrühstück herumgereicht. Freitags frühstücken sie immer alle gemeinsam auf der Terrasse. Und, natürlich, wie es sich gehört, gab es Fisch und Meeresfrüchte.
Sie suchen wieder.“ Der Newsletter umfasst zwischen 2 bis 3 Seiten und wurde in die Runde gereicht. Emilia bekam es als Zweite und blätterte gleich auf die Seite mit den Stellenausschreibungen. Forscher auf der Helena“ gesucht – Biologieerfahrungen wünschenswert, gern auch interne Bewerbungen gewünscht. Das ist es doch! Alles ist so, wie es in ihren Träumen vorkommt. Sie musste das Frühstück vorübergehen lassen und dann mit ihrem Chef sprechen. Es wurden lange 30 Minuten, aber dann passt sie ihren Chef in seinem Büro ab.
Ich würde das Angebot gern annehmen.“
Welches Angebot?“
Ich würde gern auf die ‚Helena‘ gehen.“
Hmm.“ Es wurde still im Büro.
Ich denke, ich passe sehr gut auf diesen Job. Es ist das, was ich schon immer wollte.“
Wieder Ruhe. Fühlen Sie sich hier nicht wohl, Mrs. Gundar?“
Das war es nicht, was Emilia hören wollte. Das Gespräch ging in eine Richtung, die ihr nicht gefiel. Auf diese Frage konnte sie ja eigentlich nur falsch antworten. Ähm, es ist … nein, ich möchte gern etwas anderes machen.“ Mist, genau so sollte es nicht rüberkommen.
Mrs. Gundar, ich wünsche Ihnen, dass Sie Ihren Weg gehen. Sie werden Ihren Weg gehen.“ Emilia ahnte, was jetzt kommen würde. Aber … jetzt geht das nicht. Tut mir leid.“ In einem Nachsatz sagte er dann noch: Vielleicht ein anderes mal.“
Wann? So ein Chance bekommt man nicht so oft.“ Emilia war innerlich sehr wütend und biss sich auf die Lippen. Vergebens. Ich muss wieder aufs Meer …“
Tut mir leid, nochmal. Jetzt geht es echt nicht.“ Der Stuhl wurde zurückgeschoben und die Tür geöffnet. Hiermit war das Gespräch beendet.
Emilia verließ das Büro langsam und mit erhobene Kopf, wurde aber in den Gängen immer schneller, riss die Tür zum Treppenhaus auf und rannte die Treppe zum Ausgang herunter. Der Wind blies heute besonders stark vom Meer und blähte die Lungenflügel zum Zerreißen auf. Damit war der Wutausbruch erstickt, zumindest für die kommenden Stunden. Aber es kam wieder, zu Hause, in den geliebten 4 Wänden.
Der Eintopf schmeckt wirklich gut. Keine Ahnung, wie ihr Vater den zaubert. Ach, der Papa! Er war und ist immer an ihrer Seite geblieben, seit dem ihre geliebte Mama von zehn Jahren verstorben ist. Er ist immer sehr unauffällig im Hintergrund geblieben und kümmert sich um den Haushalt. Er wohnt fünf Minuten weiter unten im Dorf in einer Einliegerwohnung bei Emilias Vermietern. So schließt sich der Kreis. Es hat sie nie gestört, dass ihr Vater immer deutlich älter als ihre Mutter war. Er ist aber innerlich jung geblieben.
Es war ein Rückschlag. Verstehen kann es Emilia keinesfalls. Es gibt ja nicht mal ein Grund. Keinen Grund, den Emilia kennen darf. Als sie zurück an ihren Schreibtisch kam, lagen einige neue Akten auf ihrem Platz, als sollte es heißen, es gibt genug zu tun … hier. Zweimal noch an diesem Tag durfte sie zu einem kurzen Gespräch mit ihrem Chef kommen – neue Projekte, die zufällig heute begonnen werden mussten. Sehr witzig!